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SZENE, Rostock, Das Magazin der Stadt, 2013

"Die Prädikate offen und ehrlich passen sehr gut zu seinen Texten. Dazu kommt ein beeindruckendes Stimmvolumen. Damit versteht er es Emotionen auszudrücken, wie es tausend Worte nicht besser könnten, ganz gleich in welcher Sprache."

Wörter treffen Töne

Der Rostocker Michael Wins will in einem Workshop seine Textkünste verbessern (Ostsee-Zeitung, 2011)

"Die Wörter fliegen ihm nicht auf Knopfdruck zu. Meist fallen sie Michael Wins genau dann ein, wenn er gerade nicht damit rechnet. „Songs schreiben ist eine Kunst für sich“, sagt der Gesangsstudent an der Rostocker Hochschule für Musik und Theater (HMT). Und diese Kunst will der Rostocker jetzt verbessern. Als einer von vielen Musikbegeisterten hat er sich beim Songwriterwettbewerb „Steppenwölflinge“ beworben. Sollte er gewinnen, kann er ein Wochenende unter Anleitung des Berliner Songwriters und Hochschul-Dozenten Masen Abou-Dakn Songtexte schreiben. Der an der Popakademie Baden-Württemberg arbeitende Komponist Alexander Paeffgen gibt den musikalischen Einfällen den letzten Feinschliff.

„Der Text ist das Innenleben eines Songs“, sagt Michael. Nur wenn der stimme, gewinne ein Lied an Tiefe. Früher schrieb der Rostocker immer erst die Songs, dann folgte der Text. Seit einiger Zeit macht er es genau umgekehrt. „Manchmal grübele ich tagelang und plötzlich fallen mir die richtigen Worte ein — wie aus dem Nichts“, sagt der 28- Jährige. Dann muss er sie sofort aufschreiben.

Ganz egal, wie spät es ist oder wo er sich gerade aufhält. „Meine Freundin ist es schon gewohnt, dass ich mitten in der Nacht aus dem Bett springe und was hinkritzele“, witzelt er. Worüber er singe?

„Das Meiste ist schon ziemlich melancholisch angehaucht“, sagt Michael. Um Grausamkeiten des Alltags gehe es. Um das machtlose Gefühl, das ihn beim Anschalten des Fernsehers überkomme. Und immer wieder auch um Liebe. Der Song, den jetzt die Jury der „Steppenwölflinge“ berät, heißt „Du und ich“. Ein Liebeslied ist es nicht, auch wenn der Titel so klingt. Es geht um das ganze Elend dieser Welt, gegen die sich jeder  auch „Du und ich“ zur Wehr setzen müssen. „Ich ertappe mich selbst oft dabei, dass ich abgestumpft auf den Fernseher starre und verfolge, wie bei irgendeinem Bürgerkrieg Hunderte von Menschen sterben“, gibt der gebürtige Hamburger zu. Deshalb habe er das Lied geschrieben. Ob er immer so „schwere“ Kost verarbeite? „Seit kurzem versuche ich, alles mit einem Augenzwinkern zu sehen“, sagt der Musiker. Der thematische Wechsel vom Weltschmerz hin zu Ironisch- Humorvollem sei aber nicht gerade einfach. „Deshalb würde mir das Wochenende mit Masen Abou-Dakn gerade jetzt viel bringen.“ Aber selbst wenn es nichts wird, Dakn hat Michael auch jetzt schon weiter geholfen. „Ich habe sein Buch ,Songtexte schreiben‘ gelesen und versuche viele seiner Tipps zu beherzigen“, sagt der Student. So versucht er, sich alles wie in einem Film vorzustellen und möglichst viele Perspektiven einzunehmen. „Letztens hab ich einen Text aus der Sicht eines Steins geschrieben“, sagt Michael und ein Grinsen gleitet über sein Gesicht. Sein neuestes Projekt heißt „Something new“. Gemeinsam mit einem Studienkollegen. Zweien fliegen vielleicht auch noch mehr Wörter zu."

NELE BAUMANN