„Klar“ – der Titel seines ersten Musikvideos scheint bei Michael Wins Programm: der bodenständige Junge von nebenan, mit authentischen Songtexten, einer warmen Stimme und einer sanften, aber doch kraftvollen Aura. Eingängig sind seine Songs, modern und urban, mit einer leichten Traurigkeit. Auf den ersten Blick einer der jungen Künstler, die derzeit auf die musikalische Bühne drängen.
Doch mit dem Attribut „klar“ lässt sich der Singer/Songwriter Michael Wins ganz und gar nicht fassen. Denn Michael Wins ringt um seine musikalische Identität. Er ist ein Reisender, der ankommen will – auf der Suche nach so etwas wie „Heimat“. Dem Sänger merkt man seine Vergangenheit heute kaum noch an, als Russlanddeutscher ist er vor 20 Jahren in dieses Land gekommen. Und doch wandelt sie stets an seiner Seite. Unter der Oberfläche ringen jedoch Kulturen und Sprachen miteinander. Dort, die unbändige Weitläufigkeit des Westsibirischen Tieflands, faszinierende Landschaften, um die sich wilde Träume ranken. Hier, Deutschsprechen, Jackson als erstes künstlerisches Idol, ein Klavier. Bösendorfer oder Steinway, alles scheint möglich in diesem nahen fremden Land. Der zehnjährige Sergej Wins sitzt im Dazwischen sein fest, er muss zu Michael werden, eine symbolische Aufladung der Angepasstheit. Sein Schutzraum wird die Musik.
Erst später erlaubt er sich sein Korsett abzulegen. In seiner Musik und seinen Texten beginnt Michael Wins die Suche nach den verborgenen Schichten und den unerzählten Geschichten. Er will erkannt werden. Ein vergessenes Gefühl aus seiner Kindheit, ein verschütteter Blick, ein verborgener Gedanke – seine Songs legen den verlockenden Duft von Weichspüler und Mainstream ab, legen Narben frei, lassen Brüche zu. Er signiert Songs mit seinem russischen Geburtsnamen, das hat etwas zutiefst Ehrliches. Es ist ein Versuch, beide Welten zu verbinden, beiden Welten in einer eigenen musikalischen Landschaft zu begegnen. Das ist eine Herausforderung und nicht immer gelingt der Spagat zwischen Erinnerung und Perspektive. Michael Wins ist auf dem Weg. Ein Come-back durch die Musik. Der erste Schritt, sich als Musiker zu finden, ist gemacht.
(Anja Krone)